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Insolvenzrecht: Anfechtung von Lastschriftzahlungen

Grundsätzlich kann ein Insolvenzverwalter unter bestimmten Voraussetzungen (§ 130 InsO) auch Zahlungen des Schuldners anfechten, auf die der Zahlungsempfänger/Gläubiger einen Anspruch hatte. Das gilt ausnahmsweise nicht, wenn es sich um ein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO handelte. Ein Bargeschäft liegt immer dann vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem engen zeitlichen Zusammenhang ausgetauscht werden. Wann das der Fall ist, kann nicht konkret festgelegt werden, sondern richtet sich stets nach der Art des Rechtsgeschäfts und nach der Zeitspanne, in der nach den allgemeinen Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs der Leistungsaustausch vollzogen wird. Bei Kaufverträgen z. B. hält der Bundesgerichtshof (BGH) eine Zeitspanne zwischen Lieferung und Zahlung von einer Woche nicht für zu lang.

Ein besonderes Problem ergab sich bei Zahlungen per Lastschriftverfahren.

Nach der Rechtsprechung des BGH tritt bei dieser Zahlungsart die Erfüllung der Forderung nicht bereits mit dem Lastschrifteinzug vom Konto des Schuldners bzw. der Gutschrift des Betrages auf dem Konto des Zahlungsempfängers ein. Belastung und Gutschrift stehen im Lastschrifteinzugsverfahren nämlich unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch den Schuldner. Da die Genehmigung jedes einzelnen Zahlungsvorganges in der Praxis kaum durchführbar ist, enthalten die AGB der Banken und Sparkassen eine Regelung, wonach eine Zahlung als genehmigt gilt, wenn ihr nicht binnen 6 Wochen ab Zugang eines Rechnungsabschlusses (i.d.R. vierteljährlich) widersprochen wurde. Dies hat zur Folge, daß die tatsächliche Erfüllung des Zahlungsanspruches erst geraume Zeit nach der eigenen Leistung des Zahlungsempfängers eintritt.

Der BGH hatte sich nun mit der Frage zu beschäftigen, ob in diesem Fall noch von einem Bargeschäft ausgegangen werden könne (Urteil v. 29.05.2008, IX ZR42/07). Er bejahte sie mit der Begründung, wenn der mit der Last- und Gutschrift faktisch abgeschlossene Zahlungsvorgang infolge der Genehmigung des Schuldners dauerhaft rechtlichen Bestand erlangt, sei es

"...sachgerecht, bei der Prüfung der zeitlichen Anforderungen des § 142 InsO auf den Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs..."
abzustellen. Und weiter:
"Da der Schuldner im Zeitraum zwischen dem Lastschrifteinzug und seiner Genehmigung nicht in Verzug gerät, wäre es ungereimt, in dieser Konstellation dem Gläubiger den Rechtsvorteil der Bardeckung zu versagen. Diese rechtliche Würdigung entspricht, weil mittels einer Einziehungsermächtigung bewirkte Zahlungen in aller Regel nachfolgend genehmigt werden, den im Rahmen des § 142 InsO zu beachtenden verkehrsüblichen Gepflogenheiten.
Der für ein Bargeschäft erforderliche zeitliche Zusammenhang ist auch deshalb gegeben, weil die Genehmigung des Schuldners gemäß § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Lastschrifteinzugs zurückwirkt. Kraft der gesetzlichen Rückwirkungsfiktion gilt die Zahlung des Schuldners nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich als im Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs erbracht."
Die Entscheidung hat aus hiesiger Sicht zwei für die Geschäftspartner eines späteren Insolvenzschuldners günstige Konsequenzen:

1. Das Bargeschäftsprivileg (siehe oben) bleibt erhalten. Auch wenn der Lastschrifteinzug innerhalb des kritischen Zeitraumes von drei Monaten vor Stellung des Insolvenzantrages oder danach (§ 130 Abs. 1 InsO) erfolgte, ist die Zahlung nicht anfechtbar, vorausgesetzt natürlich, zwischen Lieferung/Dienstleistung etc. und Lastschrifteinzug besteht ein enger zeitlicher Zusammenhang. Inhaber einer Einzugsermächtigung sollten hiervon also unverzüglich nach Erbringung der eigenen Leistung Gebrauch machen.

2. Unter den Insolvenzpraktikern gab es auch Überlegungen, ob eine Lastschriftzahlung, die eigentlich außerhalb des Anfechtungszeitraumes (bis drei Monate vor Stellung des Insolvenzantrages) lag, nicht doch angefochten werden könnte, wenn die Genehmigung des Einzugs erst innerhalb des Anfechtungszeitraumes erfolgte. Zwar äußert sich der BGH hierzu nicht explizit, da er aber ausführt, kraft der gesetzlichen Rückwirkungsfiktion des § 184 Abs. 1 BGB gelte die Zahlung des Schuldners rechtlich als im Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs erbracht, dürfte der Versuch eines Insolvenzverwalters, die Zahlung durch eine späte Genehmigung der Lastschrift quasi in den Anfechtungszeitraum "hineinzuziehen", keine Aussicht auf Erfolg haben.



Eingestellt am 27.06.2008 von K. Woldrich
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