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Keine Haftung für Steuerschulden der Gesellschaft bei Anfechtung durch den Insolvenzverwalter

Auch wenn bei Kapitalgesellschaften die Haftung auf das Firmenvermögen beschränkt ist, existieren zahlreiche Anspruchsnormen, um das vertretungsberechtigte Organ einer solchen Gesellschaft dennoch in Haftung zu nehmen.
Eine dieser Anspruchsgrundlagen stellt § 191 I AO i.V.m. §§ 69, 34 AO dar. Hiernach haben gesetzliche Vertreter einer juristischen Person für die Steuerschulden der Gesellschaft einzustehen, soweit die Steueransprüche infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden.
Die Pflicht, deren schuldhafte Verletzung die Haftung auslöst, kann sich sowohl auf die Entrichtung der Steuer als auch auf die Abgabe einer Steuererklärung beziehen.
Sofern tatsächlich eine Pflichtverletzung schuldhaft begangen worden war, bedeutet dies jedoch nicht ohne weiteres, dass von einer Bejahung der Einstandspflicht auszugehen ist. Denn zwischen der Pflichtverletzung und den steuerlichen Wirkungen muss darüber hinaus ein kausaler Zusammenhang bestehen. Es gilt dabei die Adäquanztheorie, wonach Pflichtverletzungen nur dann ursächlich sind, wenn sie allgemein oder erfahrungsgemäß den eingetretenen Erfolg verursachen und im konkreten Fall der Erfolg ohne sie nicht eingetreten wäre.
Hinsichtlich zahlreicher Steuerforderungen ist davon auszugehen, dass der Insolvenzverwalter etwaige Zahlungen auf diese ohnehin angefochten hätten, sodass diese nicht dem Gläubiger, sondern der Masse zu Gute gekommen wären. Betroffene Geschäftsführer könnten aufgrund dessen aufatmen, wäre da nicht die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes vom 05.06.2007 (Az.: VII R 30/06), wonach im Rahmen des § 69 AO die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe ausgeschlossen ist. Da nicht vorhergesagt werden kann, ob der Insolvenzverwalter tatsächlich die „gedachte“ Zahlung angefochten hätte, stellt die Möglichkeit der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter einen solchen hypothetischen Kausalverlauf dar.
Gläubigern blieb in Folge dieser Rechtsprechung meist lediglich die Möglichkeit, sich auf den Grundsatz der anteiligen Tilgung zu berufen, also dass er Verbindlichkeiten in gleichem Umfang zu tilgen und er, im Falle eines Verstoßes hiergegen, dem Finanzamt gegenüber bloß in dem Umfang zu haften habe, wie er dieses gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt habe und er bei Beachtung des genannten Grundsatzes den ihm im Fälligkeitszeitpunkt zur Verfügung stehenden Mitteln die Steuerschulden hätte tilgen können.
Für den Umfang der Pflichtverletzung, deren Ursächlichkeit und für das Verschulden des in Anspruch genommenen Haftenden trägt zwar die Finanzbehörde die Beweislast, da es sich hierbei um den anspruchsbegründenden Tatbestand handelt. Dieser Grundsatz wird in seiner praktischen Wirkung jedoch dadurch wesentlich eingeschränkt, dass die Finanzbehörde von dem Haftungsschuldner verlangen kann, dass er die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte erteilt und die nötige Mitwirkung leistet, damit die Haftungsquote ermittelt werden kann.
Der Grundsatz der anteiligen Tilgung wird damit ebenfalls in den wenigsten Fällen zu einer vollumfänglichen Aufhebung des Haftungsbescheids führen.
Umso erfreulicher ist, dass das Finanzgericht Köln mit seinem - leider nicht allzu große Beachtung findenden - Urteil vom 06.11.2014 (Az.: 13 K 1065/13) nunmehr entschieden hat, dass ein Haftungsbescheid rechtswidrig ist, wenn das Finanzamt bei dessen Erlass wusste, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und dass der Insolvenzverwalter tatsächlich von der Anfechtungsmöglichkeit von vor dem Haftungszeitraum liegenden Tilgungen Gebrauch mache. Denn in einem solchen Fall verhalte sich das Finanzamt treuwidrig.
Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes spreche nicht hiergegen, so das Finanzgericht. Dies folge daraus, dass der Bundesfinanzhof ein striktes Verbot hypothetischer Betrachtungen im Sinne von Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen nicht aufgestellt habe. Darüber hinaus entstehen durch eine Konstellation, in welcher das Finanzamt bereits Kenntnis von der Anfechtung hat, keine das Steueraufkommen gefährdenden Vorteile, denen entgegen gewirkt werden müsse.
Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen 13 K 1065/13 beim Bundesfinanzhof anhängig.
Es bleibt abzuwarten, ob das Urteil des Finanzgerichts Köln aufrechterhalten oder aufgehoben werden wird. Zwischenzeitlich sollten alle Betroffenen gegen die gegen Sie ergangenen Haftungsbescheide Einspruch einlegen und sich auf die Rechtsprechung berufen.
Bitte beachten Sie insoweit, dass durch die Einspruchseinlegung die Vollziehung des Bescheids nicht gehemmt wird, die Finanzbehörden demnach weiterhin aus diesem vollstrecken können.


Eingestellt am 11.02.2016 von P.Buhmann
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