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Insolvenzrecht: Keine Insolvenzantragspflicht mehr bei Überschuldung?
Anlaß ist der rapide Wertverfall bestimmter Anlageinstrumente. Die erforderlichen Abschreibungen können auch bei ansonsten gesunden Unternehmen zu einer bilanziellen Überschuldung führen und damit eine Insolvenzantragspflicht auslösen.
Zitat aus der Pressemitteilung des BMJ:
"Die gegenwärtige Finanzkrise hat zu erheblichen Wertverlusten insbesondere bei Aktien und Immobilien geführt. Dies kann bei Unternehmen, die von diesen Verlusten besonders massiv betroffen sind, zu einer bilanziellen Überschuldung führen. Können diese Verluste nicht durch sonstige Vermögenswerte ausgeglichen werden, sind die Geschäftsführer dieser Unternehmen nach geltendem Recht verpflichtet, innerhalb von drei Wochen nach Eintritt dieser rechnerischen Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Dies gilt selbst dann, wenn für das Unternehmen an sich eine positive Fortführungsprognose gestellt werden kann und der Turnaround sich bereits in wenigen Monaten abzeichnet. Solche Unternehmen sollen künftig nicht mehr verpflichtet sein, sofort einen Insolvenzantrag zu stellen"
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries weiter:
"Selbstverständlich profitieren von dieser Neuregelung nicht nur Finanzmarktunternehmen, sondern auch alle übrigen Unternehmen, sie kommt also auch insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen aus anderen Branchen zugute. Damit helfen wir auch einem mittelständischen Handwerksbetrieb in der Rechtsform einer GmbH, der vielleicht im Moment formal überschuldet ist, aber den Zuschlag für einen Großauftrag bekommen hat. Nach geltendem Recht müsste er binnen drei Wochen Insolvenzantrag stellen, obwohl schon heute feststeht, dass nach Abwicklung des Großauftrages nur wenige Wochen später die Überschuldung entfällt."
Man könnte es - ein wenig ketzerisch - aber auch so formulieren:
Selbstverständlich profitieren von dieser Neuregelung nicht nur Finanzmarktunternehmen, sondern auch allen übrigen Unternehmen, sie kommt also auch Unternehmen aus anderen Branchen zugute, die schon seit geraumer Zeit überschuldet sind und zum Schaden ihrer Gläubiger die derzeit noch gültigen Insolvenzantragspflichten verletzt haben. Damit helfen wir auch einem mittelständischen Handwerksbetrieb in der Rechtsform einer GmbH, der vielleicht überschuldet ist, aber sich erfolgreich durch "Lieferantenkredite" über Wasser hält. Nach geltendem Recht müsste er binnen drei Wochen Insolvenzantrag stellen, obwohl schon heute feststeht, dass sich immer wieder jemand findet, der sich über die finanzielle Situation seines Vertragspartners täuschen läßt und ihm Kredit gewährt oder großzügige Zahlungsfristen einräumt.
Es stellt sich die Frage, ob eine Abmilderung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung tatsächlich in dieser Breite erforderlich ist. Sicher, niemand will in dieser gesamtwirtschaftlich prekären Situation auch noch eine Meldung über die Insolvenz einer deutschen Großbank hören. Vielen Unternehmen kann aber auch mit den Instrumentarien, welche das Insolvenzrecht schon heute bereithält, eine weitere Teilnahme am Wirtschaftsleben ermöglicht werden. Zu denken ist hier insbesondere an den sogenannten Pre-Packaged-Plan (Gestaltungsvariante des Insolvenzplans) in Kombination mit einer Eigenverwaltung oder die klassische übertragende Sanierung.
Wie dem auch sei; der neue Überschuldungsbegriff soll jedenfalls deutlich flexibler ausfallen, als es der Gesetzgeber der Insolvenzordnung vorgesehen hatte. Im Grunde bedeutet die beabsichtigte Neuregelung die Rückkehr zum unter der Konkursordnung geltenden Überschuldungsbegriff:
Eine Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.
Dies eröffnet Geschäftsleitern einigen Interpretationsspielraum und bringt weitreichende Veränderungen für die Beratungspraxis mit sich.
Eingestellt am 16.10.2008 von K. Woldrich
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