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Verkehrsunfallprozess: Schadensersatzansprüche von alkoholisierten Fußgängern

Kommt es zu einem Verkehrsunfall zwischen einem Pkw und einem Fußgänger, sind die Erfolgsaussichten einer Geltendmachung der Schadensersatzansprüche des Fußgängers bzw. die Abwehr der von der Gegenseite begehrten Schadenspositionen meist recht gut zu beurteilen. Denn lediglich der Halter und/oder Fahrer des Kraftfahrzeuges haftet nach § 7 Straßenverkehrsordnung (StVG) bzw. § 18 StVG aus Gefährdungshaftung. Dies bedeutet, dass dem Fahrzeughalter oder –führer kein Verschulden nachgewiesen werden muss, sondern dieser allein aufgrund der dem Auto innewohnenden Betriebsgefahr haftet. Denn von dem Fahrzeug geht bereits aufgrund der bestimmungsgemäßen Nutzung im öffentlichen Straßenverkehr eine abstrakte Gefahr für alle anderen Verkehrsteilnehmer aus. Der Fußgänger haftet demgegenüber lediglich für eigenes Verschulden, also für Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Die Beweislast für schuldhaftes Handeln des Fußgängers trägt die Gegenseite. In zahlreichen Fällen, ist ihm dieser Beweis nicht möglich.
Anders ist dies jedoch, wenn der Fußgänger erheblich alkoholisiert am Straßenverkehr teilgenommen hat. In solchen Fällen ist meist nämlich offensichtlich, dass das sich aus § 1 Absatz 2 Straßenverkehrsordnung (StVO) ergebende Rücksichtnahmegebot verletzt worden ist.
Zwar muss dem Fußgänger dennoch ein haftungsrelevantes Fehlverhalten vorgeworfen werden können, sodass es nicht genügt, wenn der Fußgänger lediglich betrunken am linken Fahrbahnrand einer Landstraße entlangläuft und der Autofahrer diesen wegen dessen dunkler Kleidung nur schwer erkennen kann, der Fußgänger sonst aber keine Auffälligkeiten zeigt (Oberlandesgericht München, Urteil vom 02.06.2006, Az.: 10 U 1685/06).
Bei einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 2 Promille ist aber nach den Regeln über den Beweis des ersten Anscheins bereits davon auszugehen, dass die Trunkenheit zumindest mitursächlich für einen von ihm erlittenen Unfall war, sofern ein nüchterner Fußgänger dieselbe Verkehrslage hätte meistern können (Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 12.05.2010, Az.: 14 U 167/09). Von einem Anscheinsbeweis wird immer dann gesprochen, wenn ein Sachverhalt erfahrungsgemäß auf einen bestimmten Geschehensablauf hindeutet und diesen somit beweist.
Erst kürzlich hatte das Oberlandesgericht Hamm mit seinem Urteil vom 17.04.2015 (Az.: 9 U 34/14) sogar entschieden, dass die im Unfallzeitpunkt gemessene Blutalkoholkonzentration von 2,49 Promille die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit begründe, wenn dieser zuvor durch eine Verhaltensweise (Torkeln, starkes Schwanken) aufgefallen war, die typisch für einen unter Alkoholeinfluss stehenden Fußgänger ist. In dem dort entschiedenen Fall wies der Fußgänger die soeben genannte Blutalkoholkonzentration auf und versuchte, sich seitlich an einem auf einem Kundenparkplatz langsam vorwärts fahrenden Lastzug abzustützen. Dabei geriet er zwischen die Hinterachsen des Sattelaufliegers und zog sich schwere Verletzungen zu. Das OLG Hamm wies die Klage des Fußgängers ab, da dieses Verhalten im Rahmen der vorzunehmenden Haftungsabwägung das Zurücktreten der allein einzustellenden Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges rechtfertigen würde.
Aber selbst, wenn die Alkoholkonzentration unter dem Wert von zwei Promille liegt, so ist eine Haftung aber nicht ohne weiteres ausgeschlossen. Denn sind alkoholbedingte Ausfallerscheinungen gegeben oder ist ein verkehrswidriges Fehlverhalten feststellbar, welches typischerweise durch Alkoholeinfluss bedingt ist, so kann es trotzdem passieren, dass die Schäden des Verkehrsunfalls von dem Fußgänger allein beglichen werden müssen.
Das Oberlandesgericht Celle hatte hierzu entschieden, dass eine Fußgängerin das ganz überwiegende Verschulden an einem Verkehrsunfall trifft, wenn diese mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,75 Promille bei Dunkelheit und schlechter Beleuchtung eine Straße betritt, ohne dabei die Verkehrsverhältnisse zu beachten, mit der Folge, dass ein Pkw-Fahrer bei einer Fahrgeschwindigkeit von 40 – 50 km/h auch bei sofortiger Reaktion eine Kollision nicht vermeiden kann. Der Fußgängerin wurde daher weder Schadensersatz, noch Schmerzensgeld zugesprochen (OLG Celle, Urteil vom 19.03.2015, Az.: 5 U 185/11).
In Kürze startet erneut die Volksfestsaison. Fußgänger sollten nicht nur vor dem oben genannten Hintergrund, sondern auch zu ihrer eigenen Sicherheit, abwägen, wie viel Alkohol sie zu sich nehmen. Hat man solchen getrunken, so sollte – wenn möglich – ein Taxi gerufen und der Heimweg nicht zu Fuß und erst Recht nicht mit dem Fahrrad beschritten werden.
Ist es für solche Erwägungen zu spät, sollten Sie sich nicht zu etwaigen Äußerungen verleiten lassen, sondern sollten aufgrund der möglichen straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen von dem Ihnen zustehenden Schweigerecht Gebrauch machen. Auch sind freiwillige Blutalkoholuntersuchungen dringend zu vermeiden. Denn auch die im Unfallzeitpunkt bestehende Blutalkoholkonzentration muss von dem Fahrzeughalter bzw. –führer dargelegt und bewiesen werden.


Eingestellt am 08.04.2016 von P.Buhmann
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