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Insolvenzrecht: Widerspruch gegen Anmeldung einer Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung

Von der Restschuldbefreiung werden Forderungen, die aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrühren, nicht erfaßt (§ 302 Nr. 1 InsO). Der Gläubiger kann dann trotz einer ansonsten erteilten Restschuldbefreiung mit einer vollstreckbaren Ausfertigung des Tabellenauszugs noch viele Jahre die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben.

Voraussetzung ist natürlich zunächst, daß der Gläubiger die Forderung unter Angabe des Rechtsgrundes (z.B. § 823 BGB i.V.m. § 266a StGB - Haftung für nicht gezahlte Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung) zur Tabelle angemeldet hatte. Ferner darf der Forderungsanmeldung nicht wirksam widersprochen worden sein.

Widerspruch können grundsätzlich der Insolvenzverwalter und der Insolvenzschuldner erheben. Lange Zeit war aber unklar, ob der Insolvenzverwalter auch nur dem Rechtsgrund der unerlaubten Handlung widersprechen kann, wenn die Forderung aus einem anderen Grunde aber besteht und zur Tabelle festgestellt wird.

Beispiel Eingehungsbetrug: Der Schuldner schließt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Vertrag (Mietvertrag, Kaufvertrag...), obwohl er weiß (und dies auch so beabsichtigt), daß er die damit verbundenen Zahlungspflichten nicht erfüllen kann. Der Gläubiger hat dann zum einen seinen Anspruch aus dem Vertrag. Als weiterer Rechtsgrund für die Zahlungspflicht des Schuldners kommt daneben ein Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB in Betracht.

Dem Verwalter geht nun in unserem Beispielsfall eine Forderungsanmeldung des geprellten Gläubigers zu, in der es sinngemäß heißt, es bestehe eine Forderung i.H.v. € 1.000,-. Zum Beleg wird der mit dem Schuldner geschlossene Vertrag mitgeschickt. Anschließend enthält die Forderungsanmeldung noch den Satz, der Gläubiger melde zudem eine Forderung aus im Zuge des Vertragsabschlusses begangener vorsätzlicher, unerlaubter Handlung an. Nach Prüfung des Vertrages kommt der Verwalter zu dem Ergebnis, daß dieser wirksam ist und die Forderung besteht. Er stellt diese Forderung daher fest. Allerdings bezweifelt er aus irgendeinem Grund das Vorliegen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung. Möglicherweise kennt er Umstände, die gegen einen Vorsatz des Schuldners sprechen. Vielleicht ging dieser beim Vertragsschluß ja doch ernsthaft davon aus, die Forderung bei Fälligkeit begleichen zu können, etwa weil er selbst noch mit Zahlungseingängen rechnete.

Kann der Verwalter nun einerseits die vertragliche Forderung feststellen, andererseits aber dem Rechtsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung widersprechen?

Der Bundesgerichtshof verneint diese Frage (Urteil v. 12.06.2008, IX ZR 100/07).

"Für den Fall der Anspruchskonkurrenz - etwa bei vertraglichen Ansprüchen und Ansprüchen aus unerlaubter Handlung - prüft der Insolvenzverwalter zwar die Forderungsanmeldung unter allen rechtlichen Gesichtspunkten, die den Forderungsbestand in Frage stellen könnten. Stützt ein Rechtsgrund jedoch die angemeldete Forderung, hat der Insolvenzverwalter sie in die Insolvenztabelle als unbestritten einzutragen; über den Rechtsgrund der Forderung hat er keine Entscheidung zu treffen.

Hängt der Bestand der Forderung von einer Vorsatztat nicht ab, scheidet auch ein hierauf beschränkter Widerspruch aus."

Wenn die Forderung also schon aufgrund des Vertrages gerechtfertigt ist und insofern festgestellt wird, hätte ein isolierter Widerspruch gegen den Rechtsgrund der Vorsatztat einzig und allein den Zweck, den Insolvenzschuldner vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu bewahren. Dies ist jedoch nach Auffassung des BGH nicht Aufgabe des Insolvenzverwalters, sondern allein des Schuldners. Ein solcher Widerspruch des Insolvenzverwalters entfaltet daher keinerlei Rechtswirkungen.

Der Schuldner indes wird gem. § 175 Abs. 2 InsO vom Insolvenzgericht informiert, wenn ein Gläubiger eine Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung anmeldet, und auf die Folgen für die Restschuldbefreiung hingewiesen. Meint er, keine Vorsatztat begangen zu haben, muß er im Prüfungstermin vor dem Insolvenzgericht Widerspruch einlegen, um sich die Chance auf eine vollständige Restschuldbefreiung zu bewahren.

Gläubiger können einen sich isoliert gegen den Rechtsgrund der unerlaubten Handlung richtenden Widerspruch des Insolvenzverwalters (nicht des Schuldners!) eigentlich getrost ignorieren. In einem späteren Zwangsvollstreckungsverfahren kann ein noch im Tabellenauszug eingetragener Widerspruch allerdings Verwirrung auslösen. Außerdem steht zu befürchten, daß der Schuldner mit Verweis auf den Widerspruch des Insolvenzverwalters Vollstreckungsgegenklage erhebt. Zwar wäre diese im Ergebnis zurückzuweisen, jedoch hätte sie unnötigen Zeit- und Kostenaufwand zur Folge. Betroffene Gläubiger sollten Widersprüche des Insolvenzverwalters also noch während des Insolvenzverfahrens durch eine Feststellungsklage beseitigen.

Schuldnern hingegen ist zu raten, sich nicht auf einen Widerspruch des Insolvenzverwalters zu verlassen, sondern selbst Widerspruch zu erheben, wenn eine vorsätzliche unerlaubte Handlung nicht begangen wurde.




Eingestellt am 08.08.2008 von K. Woldrich
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